In unserer Biberburg hören wir sonntags die Glocken läuten. Den Turm, aus dem es so festlich klingt, habe ich mir noch nie genauer angeschaut: Er ist viel zu hoch für einen Biber. Opa Nörgel kennt sich mit allerlei Bauwerken aus, und er meinte: „Schau mal hin, die unteren drei Stockwerke des Lambsheimer Kirchturms sehen älter aus als die oberen.“ Sie stammen noch aus dem Jahr 1225, also aus dem Mittelalter, als es Ritter und Minnegesang gab. Die alte Stephanus-Kirche, zu dem der Turm gehört, ist im Erbfolgekrieg 1504 zerstört worden, nur ein Teil des Turms blieb erhalten. Die Kirche musste dann neu gebaut werden, erzählt mir Opa Nörgel. Er hat das in der Festschrift der Gemeinde bei dem Heimatkundler Paul-Christian Lang nachgelesen.
Die neue Kirche gehört den Protestanten. Die Katholiken durften ihren Gottesdienst aber im Chorraum feiern, und den Turm haben beide gemeinsam genutzt. „Simultan“ sagt man dazu. Das wurde den Katholiken allerdings zu eng, und sie errichteten ihr eigenes Gotteshaus, die neue Stephanus-Kirche, rechtwinklig zur alten. Aber auch die Protestanten fanden ihren Bau irgendwann zu klein und ersetzten ihn. Die neue protestantische Kirche entstand 1847 nördlich an den Turm angelehnt. Wer blieb also wie ein Fels in der Brandung über die Jahrhunderte bestehen? Der Turm. Er ist sogar gewachsen. 1861 erhöhte man ihn auf 68,77 Meter. Es war die Zeit, in der man Walzer komponierte, das Telefon erfand und Wilhelm der I. König von Preußen wurde. Es folgten noch zwei Weltkriege, die der Turm überstanden hat. Kein Wunder, dass er jetzt eine neue Schale zu seinem Schutz gebrauchen kann.